29.10.2014 07:50 – Thomas Angeli
Er war einer der ersten Nationalräte, die auf die Lancierung von Lobbywatch.ch reagierten – mit Kritik: Christian Wasserfallen (FDP) findet unseren Blick auf das Lobbying im Bundeshaus «extrem verkürzt». Warum eigentlich?
Lobbywatch: Herr Wasserfallen, als Lobbywatch am 18. September online ging, kommentierten Sie auf Twitter: «Au weia, schon wieder die Platte, jeder Parlamentarier habe nur 2 Lobbyisten.» Was machen wir denn Ihrer Ansicht nach falsch?
Christian Wasserfallen: Die Sichtweise, dass man Lobbying im Bundeshaus nur auf diese zwei Badges beschränken kann, ist meiner Ansicht nach sehr verkürzt. Alle anderen, die keinen Badge besitzen, haben zum Glück auch die Möglichkeit, an uns Parlamentarier heranzutreten. Sei das jemand von einem grossen Verband, der an uns herantritt, oder eine Einzelperson, die zum Beispiel die Interessen einer Region vertritt. Es gibt Abertausende von Lobbyisten in der Schweiz.
Dann ist also alles noch viel intransparenter?
Ich frage mich, ob Intransparenz das richtige Wort ist. Wenn man sämtliche Lobbying-Beziehungen transparent machen möchte, müsste man konsequenterweise alle Anliegen, die einem Parlamentarier per Mail oder bei einem Kaffee zugetragen werden, öffentlich machen. Sie können sich selber vorstellen, dass das nicht sehr zielführend wäre.
Was spricht denn dagegen?
Dann müsste ich als Nationalrat einen Rapport führen. Allein in der Herbstsession traf ich sicher ein Dutzend Leute, die irgendwelche Anliegen haben. Einer will einen Anlass im Rennsport durchführen, ein anderer ein Thema aus der Bildungspolitik diskutieren, die Dritte ist eine Verbandsvertreterin, die ein Thema in die Kommission bringen möchte ... Wenn ich das alles rapportieren müsste, dann hätte ich in jeder Session einen Tag lang zu tun.
Wir zeigen ja auf, wer mit welcher Branche verknüpft ist, wer mit welchen Firmen und Organisationen, dies vor allem auch von den Zutrittsberechtigten. Was spricht da dagegen?
Ich habe nichts dagegen, dass man sagt, wer die beiden Zutrittsberechtigten sind. Aber noch einmal: Es ist eine extrem beschränkte Sicht auf nur sehr wenige Gäste im Bundeshaus. In meinem Fall habe ich einen Badge meiner Mutter gegeben, den anderen meiner Partnerin. Das Lobby-Netzwerk, das man von diesen beiden Personen ableiten kann, ist eine Null-Aussage. Meine ganzen Mandate in der Bildungs- und Energiepolitik kommen da überhaupt nicht zur Geltung.
Ihre Mutter und Ihre Partnerin könnten Sie im Bundeshaus ja auch so besuchen. Weshalb haben Sie denn keine Interessenvertreter, denen Sie permanent Zutritt ermöglichen?
Sie sagen es ja selber. Es ist nicht nötig, weil eh jeder hineinkommt, der will. Sie rufen mich zum Beispiel an und fragen um ein Treffen. Dann lade ich Sie ins Bundeshaus zu einem Kaffee ein. Um hineinzugelangen, müssen Sie sich bloss kurz registrieren lassen, sie müssen Ihre ID abgeben, wir diskutieren eine Stunde, und dann sind Sie wieder weg. Das interessiert niemanden und erscheint in keiner Statistik.
Würden Sie denn begrüssen, wenn das registriert und veröffentlicht würde?
Äuä, selbstverständlich nicht. Dann müsste man ja eine Mega-Bürokratie aufbauen. Wenn man die Kontrollen im Bundeshaus derart verschärft, dann verlagert sich das Lobbying einfach nach ausserhalb des Bundeshauses, und man kann es noch weniger fassen. Das wäre kontraproduktiv und würde aus dem Bundeshaus ein Glashaus machen.
Es gab ja eine parlamentarische Initiative Ihres Parteikollegen Andrea Caroni für mehr Transparenz bei den Lobby-Beziehungen der Parlamentsmitglieder, die in der Sommersession vom Nationalrat abgelehnt wurde. Sie enthielten sich damals der Stimme. Weshalb?
Es hatte gute Ansätze darin, aber mir passte die Tendenz nicht, etwa, dass man Register führen sollte, wer ins Bundeshaus gelangt. Das passte mir nicht. Was ich von mir aus schon sehr früh machte, vor den Linken und Grünen, war, dass ich auf meiner Website nicht nur meine Interessenbindungen offenlegte, sondern auch, was ich damit verdiene.
Damit gehören Sie zu einer sehr kleinen Minderheit unter den Parlamentsmitgliedern. Mir fallen spontan nur Pascale Bruderer von der SP und Balthasar Glättli von den Grünen in ein.
Glättli machte das nach mir, Cédric Wermuth von der SP auch. Für mich war das ein Experiment. Ich wollte wissen, ob das tatsächlich so interessant ist. Und die Reaktionen zeigen mir, dass es völlig uninteressant ist für die Wählerinnen und Wähler. Es hat mich nie jemand darauf angesprochen, und ausser zwei Randnotizen in «20 Minuten» und in einer anderen Zeitung löste das keine Reaktionen aus.
Unsere Erfahrung aus der Recherche der SGK-Mitglieder ist, dass ziemlich viele Mandate nicht deklariert sind. Werden wir bei Ihnen auch auf Überraschungen stossen, wenn wir die Interessenbindungen der UREK-Mitglieder und ihrer Gäste recherchieren?
Bekomme ich den Ritterschlag also auch noch, in Ihrer Datenbank aufgeführt zu sein?
Selbstverständlich, wir recherchieren alle Parlamentsmitglieder und arbeiten nun einfach Kommission für Kommission ab.
Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass Sie bei mir noch etwas finden. Ich achte relativ pingelig darauf, dass ich alles aufliste.
Nachtrag 1: Bei der Autorisierung des Interviews machte Christian Wasserfallen noch auf eine neue Interessenbindung seiner Lebensgefährtin aufmerksam: «Ich informiere Sie auch, dass meine Partnerin seit Kurzem bei Burson-Marsteller arbeitet. Die Änderung ist bei den Parlamentsdiensten bereits kommuniziert.»
Nachtrag II: Der Schweizer Ableger der PR-Firma Burson-Marsteller führt die Geschäftsstelle des Nuklearforums, in dessen Vorstand Christian Wasserfallen sitzt.