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Hochrisikogeschäft Lobbyismus?

10.05.2019 05:46 – Thomas Angeli

Tut die Lobby-Branche genug für die Transparenz in der Politik? An der Mitgliederversammlung von Lobbywatch kreuzten zu dieser Frage Lobbyist Tim Frey und Transparency-Vertreter Alex Biscaro die Klingen.

«Lobbyismus ist ein Hochrisikogeschäft für die Demokratie»: Alex Biscaro setzte am öffentlichen Podium von Lobbywatch im Berner Politforum Käfigturm schon mit seinem ersten Statement eine Duftmarke. Der stellvertretende Geschäftsführer von Transparency Schweiz ortet beim Lobbyismus, wie er heute im eidgenössischen Parlament betrieben wird, drei grundsätzliche Defizite: Transparenz, Integrität (der Parlamentarier und der Lobbyisten) und einen ungleichen Zugang zu den politischen Entscheidungsprozessen. «Es ist unklar, wer überhaupt zu Anhörungen von Kommissionen oder in Arbeitsgruppen eingeladen wird, die Gesetze vorbereiten», monierte Biscaro.

Eine Demokratie brauche Geheimnisse, erwiderte ebenso prägnant Tim Frey, der die Geschäftsstellen Bern und Romandie von Farner Consulting leitet: «Eines der wichtigsten davon ist das Kommissionsgeheimnis. Wir brauchen einen Ort, an dem sich Entscheidungsträger austauschen können, fernab der Öffentlichkeit. Denn eine Idee muss reifen.» Geheimniskrämerei gegenüber Parlamentsmitgliedern funktioniere sowies nicht, erklärte Frey weiter. Grundsätzlich fange er jedes Gespräch mit Parlamentariern so an: «Das ist mein Kunde, er hat dieses Problem, kann ich mit dir darüber reden?».

Frey, der – je nach Betrachtungsweise – vor einigen Jahren aus der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) hinausgeworfen worden oder ausgetreten ist, bekennt sich trotzdem zu deren Bestreben nach mehr Transparenz. Sein Bruch mit der Standesorganisation, damals noch als Angestellter der Lobbyagentur Burson-Marsteller, sei allein unklaren Regelungen geschuldet gewesen, ob die von der SPAG eingeführte Offenlegungspflicht sich auf Angestellte oder die Agentur als Ganzes beziehe.

Er warte immer noch darauf, dass sich die grossen Lobbyagenturen zu den Branchenregeln bekennen, entgegnete Alex Biscaro. Die jüngsten Beispiele, etwa der Fall Borer-Miesch, zeigten, dass es durchaus weiterhin unsaubere Praktiken gebe: Wir vermissen eine aktivere Rolle der Branche selber, insbesondere des ganz grossen Teils der Branche, die nicht den SPAG-Regeln unterstehen und keine Sanktionen zu befürchten haben.»

Das gesamte Podiumsgespräch können Sie hier nachhören.

Neue Vorstandsmitglieder und viel Arbeit

An der Mitgliederversammlung vom 2. Mai traten Bane Lovric und Dimitri Zufferey aus dem Vorstand zurück. An ihrer Stelle wählte die Versammlung

  • Simone Isliker: Sie verfügt über mehrjährige Berufserfahrung als Journalistin/Redakteurin und in der Leitung von Kommunikationsprojekten. Sie hat Philosophie und Medienwissenschaften studiert sowie eine Weiterbildung in politischer Kommunikation. Ausserdem ist sie Initiantin und Co-Präsidentin der Living Library Zürich. Seit Anfang 2019 bringt sie sich bei Lobbywatch für die Mittelbeschaffung ein.
  • Thomas Preusse: Der Software-Entwickler und Journalist arbeitet bei der «Republik». Bei Lobbywatch ist er kein Unbekannter: 2017 programmierte er als Mitarbeiter von Interactive Things die heutige Lobbywatch-Webseite. 2015 deckte er zusammen mit Markus Häfliger bei der NZZ die Kasachstan-Affäre auf.
  • Philippe Wenger: Der freischaffende Journalist arbeitet bei der lokalen Wochenzeitung «Schaffhauser AZ» und studiert Wirtschaftsrecht an der Fachhochschule ZHAW. Er ist seit 2014 als Rechercheur für Lobbywatch tätig.

In seinem Ausblick zeigte Co-Präsident Thomas Angeli die grossen Herausforderungen auf, die im Verlauf der nächsten zwölf Monate anstehen. Die eidgenössischen Wahlen vom 20. Oktober bedeuten für die Transparenzplattform einen Zusatz-Effort, gilt es doch, möglichst schnell nach den Wahlen die Daten der Neugewählten und Ihrer Gäste auf der Plattform zur Verfügung zu stellen. Lobbywatch hat dazu mit dem Projekt «Transparenz im Bundeshaus 2019» ihre bisher grösste Herausforderung gestartet. Die Mittel dazu sollen mit Mitgliederbeiträgen, Spenden und Finanzhilfen von Stiftungen und Lotteriefonds gesammelt werden.