23.04.2025 13:31 – Reto Naegeli
Nationalrat Lorenz Hess und die Swiss Blockchain Federation stehen wegen mangelhafter Transparenz bei der Offenlegung politischer Mandate in der Kritik – beide Fälle zeigen die Schwächen des aktuellen Systems.
Lorenz Hess und die Offenlegungspflicht
Ein Beispiel für undurchsichtige Interessenvertretung ist Mitte-Nationalrat Lorenz Hess, einer der einflussreichsten Gesundheitspolitiker und zugleich PR- und Unternehmensberater. Seit mehr als einem Jahr sitzt er im Verwaltungsrat der Beteiligungsgesellschaft Swiss Medical Network Holding SA. Er hat dieses Mandat nicht gemeldet. Von Lobbywatch konfrontiert sagt Hess: «Ich habe während der Märzsession festgestellt, dass das nicht die einzige Anpassung ist, die bei Ablauf der Frist nicht oder fehlerhaft abgespeichert ist.» Er werde die Fehler nächste Woche beheben lassen.
Hess ist eines der Parlamentsmitglieder mit den meisten Nebenämtern. Laut Recherchen von Lobbywatch vereint er ein Dutzend Mandate in der Gesundheitsbranche. Gegenüber den Parlamentsdiensten hat Hess lediglich ein Mandat bei der Visana Gruppe deklariert. In der Lobbywatch-Datenbank sind aber acht Verwaltungsratsmandate bei unterschiedlichen Unternehmen der Visana Gruppe aufgeführt (Stiftung Visana Plus, Galenos AG, sana24 AG, Visana Beteiligungen AG, vivacare AG, Visana Allgemeine Versicherungen AG, Visana Versicherungen AG, Stiftung Atusana).
Gegenüber Lobbywatch argumentiert Hess seit Jahren, dass diese Mandate als eines zu verstehen seien, weil alle aufgeführten Gesellschaften zur Stiftung Visana Plus gehörten. Diese Untergesellschaften haben alle denselben Verwaltungsrat wie auch dieselbe Geschäftsleitung. Sein Salär – 2023 waren es 166'750 Franken – sei die Entschädigung für sein Mandat als VR-Präsident der Visana Gruppe als Ganzes, die weiteren Mandate würden nicht zusätzlich entlohnt.
Lobbywatch orientiert sich an Artikel 11 des Parlamentsgesetzes. Dieser verpflichtet die Ratsmitglieder zur jährlichen Offenlegung ihrer «Tätigkeiten in Führungs- und Aufsichtsgremien von schweizerischen und ausländischen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des privaten und des öffentlichen Rechts». Nur die Visana Holding als Mandat aufzuführen erachtet Lobbywatch als intransparent, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Bürger:innen wissen, dass Galenos AG, viavacere AG und sana24 AG Untergsesellschaften ebendieser sind. Lobbywatch verweist der Vergütung jeweils darauf, dass der Betrag für alle Mandate bei der Visana-Gesellschaften insgesamt gelte.
Dieses Beispiel verdeutlicht die Schwächen des aktuellen Systems: Eine Deklarationspflicht ohne Kontrolle und Sanktionen reicht nicht aus, um Transparenz über die Interessenbindungen von Parlamentarier:innen zu gewährleisten. Es zeigt, wie leicht wirtschaftliche Interessen im Verborgenen bleiben können – mit potenziellen Auswirkungen auf politische Entscheidungen.
Intransparentes Blockchain Lobbying
Intransparent geht es auch bei der Swiss Blockchain Federation (SBF) zu und her. Der Verband setzt sich für den «Blockchain-Standort Schweiz» ein und zählt namhafte Mitglieder wie den Pharmakonzern Novartis, die Bank Julius Bär oder auch den Kanton Zürich. Ende März hat die SBF einen neuen Beirat («Gruppe Politik») geschaffen. Dem neuen Gremium gehören neun Mitglieder des National- und Ständerats an: Matthias Michel und Petra Gössi (FDP), Isabelle Chappuis und Erich Ettlin (Mitte), Baptiste Hurni (SP), Tiana Moser (GLP), Benjamin Fischer, Franz Grüter und Paolo Pamini (SVP). Das Büro des Verbands wird von der Lobbying-Agentur furrerhugi geleitet, deren Gründer Lorenz Furrer Vizepräsident des Blockchain-Verbands ist.
Nachdem Lobbywatch die neuen Mitglieder der «Gruppe Politik» dieses Lobbyverbandes um eine Bestätigung ihrer Teilnahme bat, verschwanden am 8. April sämtliche Informationen über den Beirat und seine Mitglieder von der Website des SBF. Der Verband sagt auf Anfrage, dass die Namen entfernt wurden, «um Missverständnisse zu vermeiden». Was für Missverständnisse das sein könnten, wird nicht weiter erläutert. Laut SBF beschäftigt sich die Gruppe Politik mit «politischen Rahmenbedingungen» und fördert den «themenbezogenen Austausch mit Fachpersonen aus Technologie, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik». Die Offenlegungspflicht ist hier deutlich: solche Mandate gehören deklariert. Sie haben dazu laut Gesetz noch bis zum Beginn des kommenden Jahres Zeit. Die plötzliche Löschung wirft aber Fragen zur Transparenz des Verbands auf, insbesondere da er sich aktiv für politische Einflussnahme zugunsten der Blockchain-Branche einsetzt.