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Korruption: verharmlosen und wegschauen

03.07.2018 09:39 – Otto Hostettler

Die Korruptionsaffäre um alt Nationalrat Christian Miesch zeigt: Das Parlament hat ein schwerwiegendes Problem mit Transparenz.

Es gibt Vorgänge im Bundeshaus, die sagen mehr über das Transparenzverständnis von National- und Ständerat aus, als den Mitgliedern der beiden Parlamentskammern lieb ist. Ein Beispiel lieferte jüngst die Immunitätskommission des Nationalrats.

Dieses Gremium entscheidet darüber, ob ein Mitglied des Parlaments den Schutz vor Strafverfolgung verlieren soll. Die Idee hinter der politischen Immunität ist durchaus sinnvoll: Ein missliebiger Politiker soll nicht durch Strafklagen diffamiert und lahm gelegt werden können. Will also eine Strafverfolgungsbehörde gegen einen gewählten Mandatsträger ermitteln, muss die Immunitätskommission prüfen, ob dieser Schutz aufgehoben werden soll. Dazu wägt dieses Gremium die im Raum stehenden Vorwürfe staatspolitisch ab.

Zur Erinnerung: Der Tagesanzeiger machte publik, dass Miesch für seine politische Dienstleistungen dem Lobbyisten Thomas Borer (der im Auftrag der Regierung Kasachstans unterwegs war) einen Betrag in der Höhe von Fr. 4635.- in Rechnung stellte, für seine Arbeit als Sekretär der parlamentarischen Gruppe Schweiz–Kasachstan. Miesch reichte 2014 eine Interpellation ein, in der er offensichtlich die Interessen der kasachischen Regierung warnahm.

Die Bundesanwaltschaft als Ermittlungsbehörde wollte nun klären, ob sich Miesch nicht nur der Vorteilsannahme schuldig gemacht hat oder ober er sich sogar bestechen liess, also der Korruption. Denn die Vorabklärungen der Bundeskriminalpolizei ergaben einen «hinreichenden Tatverdacht», berichtete der Tagesanzeiger. Die mutmasslich strafbare Handlung fand statt, als Miesch als gewählter Mandatsträger im Amt war. Zum Zeitpunkt der Strafverfolgung ist nun Miesch aber längst nicht mehr im Amt.

Und was macht die Immunitätskommission des Nationalrats? Sie kommt kurzerhand zum Schluss, Miesch müsse sich lediglich ein «tiefes Unrechtsverhalten» vorwerfen lassen. Es sei wenig Geld geflossen und er habe ja nur eine (politisch wenig wirksame) Interpellation eingereicht.

Anders gesagt: Das Gremium des Nationalrats hat selber eine juristische Abwägung des Korruptionsstrafartikels vorgenommen und Mieschs Verhalten bewertet – noch bevor die Bundesanwaltschaft den Fall ermittelt hat. Damit nicht genug. Mit ihrem Entscheid verhindert die Immunitätskommission, dass der Tatverdacht der Korruption überhaupt juristisch geklärt werden kann. Schwamm drüber, lautet offensichtlich das Motto der Nationalratskommission. Mit Transparenz und Glaubwürdigkeit hat dieses Vorgehen wenig zu tun.