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Der doppelte Lobbyist

03.02.2023 07:57 – Otto Hostettler

Absurdes «Götti-Model»: UPC/Sunrise-Cheflobbyist Jürg Aschwanden besitzt gleich zwei Zutrittsausweise für das Bundeshaus.

Wenn in der Schweiz ein Lobbyist exklusiv und unbeschränkt in den nichtöffentlichen Bereich des Bundeshauses will, muss er oder sie einfach einen Parlamentarier oder eine Parlamentarierin besonders gut kennen. Das entsprechende Gesetz sieht vor, dass jedes Mitglied von National- und Ständerat zwei Personen einen solchen Zutrittsausweis aushändigen kann – nach eigenem Gutdünken. Auflagen an diese Personen (z.B. hinsichtlich Transparenz) gibt es nicht. Deshalb werden diese Ausweise auch «Götti-Badges» genannt, besonders beliebt sind sie bei Lobbys.

Jetzt zeigt ein Fall, wie absurd dieses System ist: UPC-/Sunrise-Lobbyist Jürg Aschwanden besitzt gemäss Liste der Parlamentsdienste gleich zwei solche Exklusiv-Ausweise. Einen erhielt er vom Tessiner SVP-Nationalrat Piero Marchesi und einen von Lorenzo Quadri von der rechtspopulistischen Lega. Bei Marchesi lautet seine Funktion: Liberty Global/SUN. Bei Quadri heisst es: UPC. Tatsächlich handelt es sich um ein und dieselbe Person. Denn der Provider und Kabelnetzbetreiber UPC hat mit Sunrise fusioniert und gehört zur international tätigen Liberty Global. Aschwandens offizieller Titel: Director Government Affairs. Auf Deutsch: Chef-Lobbyist.

Lobbywatch wollte von den Parlamentsdiensten Details zur Person wissen. Dies um zu klären, ob es sich tatsächlich um dieselbe Person handelt. Die Antwort aus Bern: «Die Namen und die Funktionen dieser Personen werden im Internet veröffent¬licht. Weitere Auskünfte, beispielsweise deren Kontaktdaten, dürfen die Parlamentsdienste nicht kommunizieren.» Dazu die Bemerkung, Lobbywatch sollte doch selber bei den betreffenden Parlamentariern nachfragen.

Das heisst nichts anderes: Bei den Parlamentsdienste existiert keine Kontrolle über jene Personen, die uneingeschränkt Zugang zu den nicht öffentlichen Teil des Bundeshauses haben. Sogar bei offensichtlichen Fehlern intervenieren die Parlamentsdienste nicht. Immer wieder stösst Lobbywatch auf veraltete Angaben oder auf fehlerhafte Namen. Im Bundeshaus stellt man sich auf den Standpunkt, es sei Sache der Nationalrätinnen und Ständeräte, ihre Gäste korrekt an- und abzumelden.

Tatsächlich sieht das Gesetz gar keine Kontrolle vor. Theoretisch könnte also irgendjemand einen Zugangsausweis erlangen, also auch verurteilte Straftäter oder polizeilich gesuchte Personen. Oder der Zutrittsbadge könnte dem Meistbietenden verkauft werden. Entscheidend für einen Lobbyisten, der gerne ins Bundeshaus möchte, ist de facto ein besonders enges Verhältnis zu einem Mitglied des Parlaments. Anforderungen oder Auflagen gibt es weder für die Gäste noch für die Mitglieder des Parlaments.

Eine andere, seriösere Regelung für ein Zutrittssystem fand bisher im Bundeshaus keine Mehrheit. Der damalige Ständerat Didier Berberat forderte 2015 für Lobbyisten ein Akkreditierungssystem. Die Idee dieses Lobbyregisters: Wer objektive Kriterien erfüllt (z.B. hinsichtlich Transparenz) erhält von einer entscheidungsbefugten Stelle (z.B. das Büro des Parlaments) einen Zugangsausweis. Nicht mehr die Nähe zu Politikern soll Ausschlag über den Zugang ins Bundeshaus geben, sondern die vollständige Offenlegung der Interessenbindungen. Fünf Jahre und etliche Diskussionsrunden später wurde der Vorschlag im Parlament beerdigt.

UPC-/Sunrise-Lobbyist Jürg Aschwanden versichert übrigens Lobbywatch: Er verfüge seit der Windersession 2022 über einen Zugangsbadge von Nationalrat Marchesi. «Den Badge von Nationalrat Quadri habe ich zeitgleich zurückgegeben.» Nur die Parlamentsdienste haben es noch nicht bemerkt.