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Wir wollen Sie nicht ausziehen, Herr Derder

28.01.2016 15:21 – Thomas Angeli

Sehr geehrter Herr Derder

Upps, da haben Sie aber ein paar Dinge komplett falsch verstanden. Anders kann ich mir Ihre Tirade gegen Lobbywatch im Allgemeinen und mich im Speziellen im «Le Temps» schlicht nicht erklären. Aber ich kläre Sie gerne auf, so quasi von Journalist zu Journalist.

Fangen wir ganz einfach an: Sie dürfen Ihre Kleider anbehalten. Lobbywatch will Sie nicht nackt ausziehen, wie Sie das so trefflich formulieren. Wir möchten einfach, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes erfahren können, wer im Parlament welche Interessen vertritt. Und weil das Parlamentsgesetz in dieser Frage sehr viel offen lässt, haben wir Lobbywatch gegründet. Damit auch die Mitgliedschaften von Parlamentariern bei denjenigen Organisationen transparent werden, die nicht deklariert werden müssen, obwohl sie sich in politische Debatten einmischen und dort einen bestimmten Standpunkt vertreten. Kurz: Wir jagen nicht «gekaufte Parlamentarier», wie Sie uns das unterstellen, sondern wir geben Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit, aus verlässlicher Quelle zu erfahren, wo die von ihnen gewählten Parlamentarier Mitglied sind, für wen sie arbeiten oder in wessen Beirat sie sitzen. Daneben recherchieren wir auch, wer denn die «Gäste» sind, denen besagte Parlamentarier die Tür zum Bundeshaus öffnen. Die Resultate unserer Recherchen lassen wir jeweils von den Ratsmitgliedern und ihren Gästen autorisieren, und genau das war auch der Anlass für unser Schreiben an Sie. Eigentlich erstaunlich, dass Sie als Journalist etwas gegen korrekte Fakten haben.

Ach ja, Ihre Gäste. Schön, dass sie von diesen kein Geld verlangen (das haben wir übrigens auch nie behauptet). Wir hoffen sehr, dass das auch sonst niemand tut. Aber wenn Sie schreiben, dass Sie mit Ihren Gästen «keine Verbindung» haben, dann fragen wir uns schon, weshalb Sie ihnen überhaupt den Zutritt zum Parlament ermöglichen.

Und noch etwas, sehr geehrter Herr Derder. Wenn Sie mich als «Julian-Assange-de-la-Limmat» bezeichnen, dann liegen Sie gleich mehrfach daneben (Recherche, Herr Kollege!). Erstens wohne ich nicht an der Limmat, zweitens habe ich in meinem Mail nicht erklärt, dass ich den Verein präsidiere (das tun wir in einem Co-Präsidium) und drittens verwendet Lobbywatch einzig frei zugängliche Daten und baut im Gegensatz zu Assanges Wikileaks nicht auf Whistleblower.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Frage. Julian Assange ist unter anderem wegen Vergewaltigung angeklagt. Mich in Ihrem Text als «Assangeli» zu bezeichnen, grenzt deshalb ans Ehrenrührige. Mal ganz unter uns: Hätten Sie den Mut für diese Bezeichnung auch aufgebracht, wenn Sie nicht von der parlamentarischen Immunität geschützt wären?

Mit freundlichen Grüssen

Thomas Angeli

PS: Schön, dass Sie mir auch noch persönlich geschrieben und uns zu einem Treffen aufgefordert haben. Bitte haben Sie Verständnis, dass uns dies angesichts von 246 Parlamentariern nicht möglich ist. Wir wären monatelang in der ganzen Schweiz unterwegs. Wir schlagen Ihnen aber Folgendes vor: Sie organisieren während der nächsten Session einen Fraktionsanlass der FDP im Bundeshaus, bei dem wir uns und unsere Arbeit vorstellen kommen.