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Dichtestress in der Wandelhalle

06.05.2018 21:40 – Thomas Angeli

Kein Wunder, fühlen sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Bundeshaus gelegentlich etwas bedrängt. Denn dort haben wesentlich mehr Personen Zutritt als bisher bekannt.

Manchmal lohnt sich ein Blick ins Kleingedruckte auch dann, wenn man keinen Vertrag abschliessen will. Die Vernehmlassungsunterlagen zur Revision des Parlamentsgesetzes jedenfalls bieten in einer Fussnote einen interessanten Einblick. In der Vorlage, mit der die Staatspolitische Kommission eigentlich einen Vorschlag für ein Lobbyistenregister präsentieren sollte – und dabei faktisch das Gegenteil tut, indem sie das bisherige «Göttisystem» für den Zugang zum Bundeshaus zementieren will – in dieser Vorlage also finden sich die effektiven Zahlen der Personen, die über einen so genannten «Dauerausweis» verfügen und damit im Bundeshaus ungehindert ein und aus gehen können. Es sind dies (Stand September 2017):

  • 431 ehemalige National- und Ständeräte
  • 767 Mitarbeitende der Bundesverwaltung
  • 362 Mitarbeitende der Parlamentsdienste
  • 147 Mitarbeitende der SRG
  • 323 übrige Medienschaffende
  • 18 Mitarbeitende des Bundeshaus-Restaurants Galerie des Alpes
  • 379 Zutrittsberechtigte Gäste von Parlamentariern
  • 116 Mitarbeitende der Fraktionen
  • 20 Mitarbeitende der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK)
  • 21 Kantonsvertreterinnen und -vertreter

Total sind das 2584 Zutrittsberechtigte, oder anders ausgedrückt: Auf jedes Ratsmitglied kommen während der Session zehn weitere Personen, die sich im nicht-öffentlichen Teil des Bundeshauses aufhalten dürfen. Dabei sind die Tagesgäste der Parlamentsmitglieder und die nur tageweise akkreditierten Journalisten nicht einmal mitgezählt. Dichtestress pur in der Wandelhalle.

Eine Zahl sticht besonders hervor: Die 431 Altparlamentarier können sich im Parlamentsgebäude nicht nur frei bewegen wie zu ihren politisch aktiven Zeiten. Sie müssen auch nirgends Zeugnis darüber ablegen, weshalb und in wessen Auftrag sie dies tun. So tauchte etwa der 2015 abgewählte SVP-Nationalrat Roland Borer ausgerechnet bei der Premiere des neuen Verteidigungsministers Guy Parmelin Seite an Seite mit diesem in einem Beitrag von «10 vor 10» auf. Borer ist beruflich in der Sicherheitsbranche tätig.

Die Liste der Altparlamentarier mit Dauerausweis ist nur auf Anfrage bei den Parlamentsdiensten erhältlich – und sie enthält auch frühere Bundesräte. Mit Christoph Blocher, Pascal Couchepin, Flavio Cotti, Joseph Deiss, Arnold Koller und Ruth Metzler tauchen gleich sechs ehemalige Regierungsmitglieder darauf auf. Zumindest Metzler kann einen Zutrittsausweis in ihrer heutigen Tätigkeit bestens gebrauchen. Die mehrfache Verwaltungsrätin und Strategieberaterin bezeichnet sich auf ihrer Website als «Brückenbauerin zwischen Politik und Wirtschaft».

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