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Wenn «Gäste» das Gastrecht missbrauchen

03.03.2015 15:25 – Thomas Angeli

Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wer in wessen Namen im Bundeshaus auf die Gesetzgebung Einfluss nimmt. Unser Gastkommentar auf nzz.ch.

«Wir plädieren für eine offene Lobbyarbeit» – der Satz könnte von Lobbywatch.ch stammen. Geschrieben haben ihn jedoch die Herren Schittenhelm, Schmid und Reber, Berater bei der Lobby-Firma Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten in der NZZ. Und bei näherer Betrachtung liegen doch wohl einige Welten zwischen den beiden Auffassungen, was denn eine «offene Lobbyarbeit» genau umfasst.

Es stimmt, wenn die drei Konsulenten schreiben, dass sich die heutige Lobbyarbeit im Bundeshaus an das Gesetz halte. Bloss ist besagtes Gesetz mehr als nur schwammig formuliert, gerade, was die sogenannten «Zutrittsberechtigten», also die beiden Gäste der einzelnen Parlamentsmitglieder, betrifft. So steht in Artikel 69 des Parlamentsgesetzes: «Jedes Ratsmitglied kann für je zwei Personen, die für eine bestimmte Dauer Zutritt zu den nichtöffentlichen Teilen des Parlamentsgebäudes wünschen, eine Zutrittskarte ausstellen lassen. Diese Personen und ihre Funktionen sind in ein öffentlich einsehbares Register einzutragen.»

Nun steht es diesen Personen frei, eine beliebige Berufsbezeichnung bei den Parlamentsdiensten zu melden: Ob jemand als Funktion «Gast», «persönlicher Mitarbeiter» oder den Namen irgendeiner Firma angibt, spielt keine Rolle: Der Zutrittsbadge wird quasi auf Vertrauensbasis ausgestellt, die deklarierten Angaben kontrolliert niemand. Damit bleibt in ganz vielen Fällen verborgen, wer eigentlich in der Wandelhalle in wessen Auftrag lobbyiert. Unter den 453 derzeit akkreditierten Zutrittsberechtigten befinden sich nicht weniger als 99 Personen, die sich selbst als «persönliche Mitarbeiter» oder als «Gast» deklarieren – und ihre Auftraggeber in den allermeisten Fällen unterschlagen.

Lobbywatch.ch hat in den vergangenen Monaten angefangen, die Interessenbindungen der Ratsmitglieder – aber auch diejenigen ihrer Gäste – systematisch zu recherchieren, zu kategorisieren und zu veröffentlichen. Nach bloss drei von acht Legislativkommissionen pro Rat finden sich in unserer Datenbank knapp 2000 Organisationen, welche – sei es via Parlamentsmitglieder, sei es via deren Gäste – in der Wandelhalle vertreten sind. Wenn sich nun, wie dass bei unseren Recherchen häufig geschieht, ein «persönlicher Mitarbeiter» als Cheflobbyist eines mächtigen Verbands entpuppt oder ein «Gast» Inhaber einer Firma für Public Affairs mit unbekannten Auftraggebern ist, so hat dies mit «offener Lobbyarbeit» nach unserem Verständnis relativ wenig zu tun.

Wir plädieren deshalb nicht für eine «offene», sondern für eine transparente Lobbyarbeit. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wer in wessen Namen in der Wandelhalle seinen Einfluss geltend macht. Und für die Nationalräte und Ständerätinnen ist es geradezu eine Pflicht, sich darüber im Klaren zu sein, wer sie in der Wandelhalle von Vorstössen überzeugen will, ihnen eine Abstimmungsempfehlung mit auf den Weg in den Saal gibt oder sogar pfannenfertige Anträge formuliert hat. Bestes Beispiel ist der Fall des Ex-Botschafters Thomas Borer, der im Bundeshaus unter anderem für das totalitäre Regime von Kasachstan lobbyierte und SVP-Nationalrat Christian Miesch dazu brachte, einen Vorstoss zu lancieren.

Die Konsulenten plädieren dafür, das System der Zutrittsberechtigten, das sie spöttisch «Göttisystem» nennen, ganz zu streichen und den Zugang zur Wandelhalle letztlich freizugeben. Das widerspricht nicht nur den von ihnen verschmähten Standesregeln der Schweizerischen Public-Affairs-Gesellschaft (SPAG), die ein erster Schritt in die richtige Richtung sind. Vielmehr torpedieren ihre Ideen so ziemlich alle Bemühungen der vergangenen Jahre, in den Parlamenten von demokratischen Staaten für mehr Transparenz zu sorgen.

Wer im Bundeshaus ein und aus geht, soll sich an klare Regeln halten. Dazu gehört, dass zutrittsberechtigte Gäste ihre Auftraggeber deklarieren und die Parlamentsdienste diese Angaben auch wirksam kontrollieren. Die Parlamentarier, die selber in vielen Fällen ebenfalls Lobbyisten sind, sollten nicht nur Rechenschaft über ihre Interessenbindungen ablegen müssen, sondern auch über die Entschädigung ihrer Mandate. Wir halten es für demokratiepolitisch relevant, wenn ein Nationalrat gleichzeitig für eine Krankenkasse tätig ist, dafür entschädigt wird und in der Gesundheitskommission Anträge zu dieser Thematik placiert. Für Parlamentarier und Lobbyisten, die glaubwürdig sein wollen, sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, solche Interessenbindungen offenzulegen.

Dieser Text erschien zuerst im Debattenblog auf nzz.ch.