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Kasaschisches Seilziehen

22.01.2015 10:03 – Thomas Angeli

Ex-Botschafter Thomas Borer soll gemeinsam mit SVP-Nationalrat Christian Miesch für die kasachische Regierung lobbyieren. Auf der Gegenseite steht der Genfer FDP-Nationalrat Christian Lüscher, der einen kasachischen Regimekritiker berät.

«Le Temps» deckte die Geschichte schon im vergangenen Oktober auf, doch nun wirft sie nach einem Artikel in der «NZZ» auch in Deutschschweizer Medien Wellen: Thomas Borer, Ex-Botschafter in Berlin und seit seinem Abgang umtriebiger Lobbyist und Berater, soll im Bundeshaus im Auftrag der kasachischen Regierung eine Kampagne in Gang gesetzt haben. Das Ziel: die Auslieferung des ehemaligen Bürgermeisters von Almaty, Viktor Chrapunow, der mittlerweile am Genfersee wohnt. Kasachstan wirft Chrapunow Korruption und Veruntreuung in Millionenhöhe vor. Als Quelle dienen «Le Temps» und «NZZ» Mails von Borer an kasachische Regierungsstellen.

Die «NZZ» nennt nun verschiedene Akteure aus dem Bundeshaus: Der Baselbieter SVP-Nationalrat Christian Miesch, der als Sekretär der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kasachstan amtet, reichte am 26. September eine Interpellation ein. In dieser fragt er unter anderem: «Wäre die Schweiz bereit, Personen wie Viktor Chrapunow an Kasachstan auszuliefern und ihrer gerechten Strafe zuzuführen?». Die Mitzunterzeichner dieser Interpellation kamen aus der SVP (André Bugnon, Thomas Hurter, Guy Parmelin, Lukas Reimann, Jean-François Rime), der FDP (Walter Müller, Christa Markwalder) und selbst aus der SP (Margrit Kiener Nellen). *

Miesch räumt in der «NZZ» ein, mit Borer «in Kontakt gestanden» zu haben. Dieser hatte bereits Ende August nach Kasachstan gemeldet, er habe einen politischen Vorstoss vorbereitet, die durch «freundlich gesinnte Parlamentarier» eingereicht werden soll.

Auch die Familie Chrapunow hat Zugang zum Bundeshaus: Der Genfer FDP-Nationalrat Christian Lüscher, * einst Bundesratskandidat, vertritt die Familie Chrapunow in einem Asylverfahren. Gegenüber der «NZZ» erklärt der Anwalt, der Justiz- und in der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats sitzt, er habe sich «nie in einem Dossier engagiert, dass die Chrapunows betreffe».

Ehemalige Regierungschefs als Konkurrenten

Borer, der für seine Tätigkeit im Dienste Kasachstans laut «NZZ» 30 000 Dollar pro Monat erhält, sorgte zwischenzeitlich dafür, dass er selber im Bundeshaus präsent ist: Im September beschaffte er sich über den Zürcher SVP-Nationalrat Thomas Matter einen Zutrittsbadge zur Wandelhalle (Lobbywatch.ch berichtete). Matter gibt auf «tagesanzeiger.ch» an, «generell keine Kenntnisse» von Borers Mandaten zu haben.

Thomas Borer ist übrigens mit seiner Lobbytätigkeit für Kasachstan in bester Gesellschaft. Der neuste Report der unabhängigen Lobby-Beobachtungs-Organisation Corporate Europe Observatory befasst sich unter dem Titel «Spin-doctors to the Autocrats» unter anderem mit den Lobbyisten und Lobbyfirmen im Dienste Kasachstans. Dabei werden illustere Namen genannt. Unter anderem sollen Tony Blair, Gerhard Schörder und Romano Prodi für ein besseres Image der zentralasiatischen Republik sorgen.

*Mit Ausnahme von Guy Parmelin wurden die Interessenbindungen dieser Ratsmitglieder von Lobbywatch.ch noch nicht erfasst.