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Lobbywatch: Das war 2015

31.12.2015 11:40 – Otto Hostettler

Die Transparenzplattform Lobbywatch hat ein ereignisreiches Jahr hinter sich. Unser Fazit: Die geltenden Transparenzregeln im Bundeshaus sind völlig ungenügend und untauglich.

Eine neu aufgetauchte Lobbyorgruppierung zog bereits im Januar 2015 unsere Aufmerksamkeit auf sich: die IG Biomedizinische Forschung und Innovation. Auffallend war, dass sie im Parlament damals mit 17 National- und Ständeräten vertreten war. In der 25-köpfigen Kommission für Gesundheit und soziale Sicherheit des Nationalrats war die Gruppe mit neun Mitgliedern zu einer gewichtigen Stimme geworden. Der Fall zeigt exemplarisch, wie halbherzig die geltenden Transparenz-Regelungen im Bundeshaus sind. Eigentlich müssten parlamentarische Gruppen den Parlamentsdiensten gemeldet werden, doch in diesem Fall war nicht klar, ob eine «IG» (Interessensgruppe) auch eine «Parlamentarische Gruppe» ist. Jedenfalls war die Organisation nirgendwo gemeldet und nur dank Lobbywatch wurde klar, wer überhaupt dahinter steht: Die IG Biomedizinische Forschung ist eine klassische Lobbyorganisation. Ihren Sitz hat sie bei Interpharma, dem Lobbyzentrum der Pharmaindustrie.

Im März konnte Lobbywatch die Interessensverflechtungen der National- und Ständeräte der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) veröffentlichen. Auffallend hier: Die Zahl der PR- und Consultingfirmen, die mit Parlamentarier verbunden sind, wächst ständig.

Im Mai dann dominierte das Thema Lobbyismus landesweit die Medien. Die heutige Nationalratspräsidentin Christa Markwalder musste eingestehen, dass sie im Parlament einen Vorstoss eingereicht hat, der im Auftrag einer regierungsnahmen kasachischen Partei von der PR-Firma Burson-Marsteller verfasst wurde. Markwalder kroch zu Kreuze und bezeichnete sich als «naiv». Die Parlamentarier gingen sachte mit ihnen um, wohl weil etliche von ihnen selber eng mit Lobbyisten verstrickt sind. Doch auch dieser Fall zeigt: Die Transparenzregeln des Bundeshauses sind ungenügend. Die von Kasachstan beauftragten Lobbyistin Marie-Louise Baumann musste nirgendwo angeben, dass sie im Namen des Despotenregimes unterwegs war. Sie entschlüpfte auch den Standesregeln der Schweizerischen Public Affairs-Gesellschaft (SPAG), die ihre Mitglieder neuerdings ein bisschen mehr Transparenz abverlangen als bisher. Baumann, einst Verwaltungsratspräsidentin von Burson-Marsteller, trat darauf kurzerhand aus der Lobbyistenvereinigung SPAG aus.

Im Herbst hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lobbywatch die Interessenbindungen der Hälfte der Parlamentarier recherchiert. Damit war aber auch klar: Um das neu gewählte Parlament nach den National- und Ständeratswahlen transparenzmässig in nützlicher Frist durchleuchten zu können, mussten wir neue Geldmittel erschliessen. Innerhalb von 45 Tagen sammelten wir schliesslich mit einem Crowdfunding über 17‘000 Franken. Mehrere freie Journalistinnen und Journalisten arbeiten nun daran, das Parlament bis im Frühling zu durchleuchten.

Dass Lobbywatch nicht nur den Parlamentariern, sondern gelegentlich auch den Parlamentsdiensten auf die Finger schauen muss, zeigte sich im Vorfeld der Bundesratswahlen vom 9. Dezember. Während der Recherchen zu den SVP-Favoriten wurde klar: Auf Anfrage von Lobbywatch erklärten die Parlamentsdienste, die gesetzliche Regelung sei so zu interpretieren, dass Parlamentsmitglieder lediglich ihre Berufsbezeichnung angeben müssen, nicht aber ihren Arbeitgeber. So brauchte es die Medien, die der Öffentlichkeit erklärten, SVP-Kandidat Thomas Aeschi arbeite seit 2008 für Booz&Company GmbH (heute unter dem Namen PWC Strategyand ein Teil von PWC). Das ist insofern relevant, als die Firma einst Booz Allen Hamilton hiess und zum gleichnamigen global agierenden Dienstleister gehörte, der auch für den amerikanischen Geheimdienst NSA arbeitete und durch seinen Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden zweifelhafte Berühmtheit erlangte.

Insbesondere die Kasachstan-Affäre um Nationalratspräsidentin Christa Markwalder sorgte bereits im abgelaufenen Jahr dafür, dass das Thema Lobbyismus auch 2016 auf der Traktandenliste stehen wird. Im Parlament wurden nicht weniger als 16 Vorstösse eingereicht, mit denen den Einflüsteren in der Wandelhalle Grenzen gesetzt werden sollen – ein wenig jedenfalls. Lobbywatch wird dranbleiben.